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zur frühkindlichen Zwei- und Mehrsprachigkeit


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„Mehrsprachigkeit?
Was ist das eigentlich?“

Mehrsprachigkeit ist...

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die τσάντα zu?"
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doofe Sprache nicht!"

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"Man kann nicht
immer konsequent sein."
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"Es kommt auch
auf das Umfeld an."

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wäre optimal!"

Mehrsprachigkeit im Bildungssystem

"Mehrsprachigkeit finde ich gut, aber..."
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Man kann nicht immer konsequent sein“
Mehrsprachige Erziehungsprozesse


Die folgenden Ausführungen basieren auf Ergebnissen einer empirischen Studie, in der hundert Mütter aus griechisch-deutschen Familien interviewt wurden: griechische Mütter in Deutschland und deutsche Mütter in Griechenland - die Mutter sprach also jeweils die "Nichtumgebungssprache".

Zur generellen Frage: Wie erwerben Kinder Sprache:www.sprachfoerderung.info

Die Methode „eine Person – eine Sprache“ - "OPOL" (one person one language) besagt, dass jedes Elternteil eine andere Sprache (meist seine eigene Muttersprache) mit dem Kind spricht. Für eine griechisch-deutsche Familie in Deutschland würde das bedeuten, dass die griechische Mutter mit ihrem Kind griechisch, und der deutsche Vater deutsch spricht. Diese Regel ist allerdings in ihrer Reinform weder im Alltag umsetzbar, noch entspricht sie dem Wesen der Mehrsprachigkeit (der Eltern): Ihre Sprachen sind miteinander in Kontakt, sie bilden zusammen ihre spezifische Sprachkompetenz. Die Konzentration auf nur eine der Sprachen entspricht nicht dem Wesen dynamisch gelebter Mehrsprachigkeit.
Mehrsprachigkeit ist...


Dennoch sind die befragten Eltern von der Sinnhaftigkeit dieser Methode grundsätzlich überzeugt: Fast alle (97%) sind der Meinung, dass Mutter und Vater mit ihrem Kind grundsätzlich ihre eigene Muttersprache sprechen sollten, und dass eine kon­sequente Anwendung der Methode „eine Person – eine Sprache“ den Spracherwerbsprozess des Kindes unterstützt (75%).

In ihrer praktischen Umsetzung spiegeln sich jedoch die oben angedeuteten Schwierigkeiten. Sie betreffen vor allem dasjenige Elternteil, welches die Sprache spricht, die nicht Sprache des Landes ist, in dem die Familie lebt – die sog. Nichtumgebungssprache. Ein Großteil (hier: 83%) von ihnen spricht zwar in den ersten Lebensjahren des Kindes noch konsequent mit ihm diese Sprache. Viele von ihnen (hier: 66%) sprechen im Laufe der Zeit jedoch zunehmend die Umgebungssprache mit ihrem Kind. Insbesondere die Anwesenheit von Personen, die die Nichtumgebungssprache nicht verstehen, führt in vielen Fällen (hier: 64%) zu einem Wechsel in die Sprache der Umgebung.  

Die Diskrepanz zwischen dem eigenen Anspruch an das Spracherzie­hungsverhalten und den Schwierigkei­ten seiner praktischen Umsetzung wird von den Betroffenen häufig als Konflikt empfunden, der sich in einem Gefühl der Unzufriedenheit, der Schuld und des Versagens niederschlägt: 93% derjenigen Mütter, die sich eng an „eine Person – eine Sprache“ halten, geben an, sehr zufrieden mit dem gesamten Verlauf des zwei­sprachigen Ent­wicklungs- und Erziehungsprozesses sind, dagegen nur 43% derjenigen, die viele Ausnahmen machen.

Eine deutsche Mutter in Thessaloniki:
"Ich bin nicht sehr zufrieden. Ich bin selbst schuld, denn ich spreche selbst auch viel griechisch mit den Kindern. Ich müsste mich mehr dahinter klemmen."

Eine griechische Mutter in München:
"Ich habe immer mehr deutsch gesprochen. Im Nachhinein ist die Trauer massiv und das Bedauern tief, dass meine Kinder mit mir nicht griechisch sprechen. Mit meiner vierten Tochter habe ich dann sehr viel griechisch gesprochen."

Ursachen sowohl für die Schwierigkeit, die Methode konsequent umzusetzen, als auch für das Gefühl der Unzufriedenheit sind zum einen in Persönlichkeitsmerk­malen, wie z.B. Um­gang mit Höflichkeitsformen, Selbst­bewusstsein, der persönliche Bezug zum Herkunftsland zu suchen. Aber auch zahlreiche äußere Faktoren haben einen Einfluss:

Sprachkenntnisse des Ehepartners

Die geringen Griechischkenntnisse eines deutschen Vaters in einer griechisch-deutschen Familie können mit der Zeit dazu führen, dass die griechische Mutter in seiner Gegenwart deutsch anstatt griechisch mit dem Kind spricht (hier: in 77% der Fälle): Im Alltag ist es einfacher, direkt für alle ver­ständlich deutsch zu sprechen, als sich dem Kind gegenüber auf Griechisch zu äußern und das Gesagte anschließend für den Partner zu über­setzen.

Bei guten Sprachkenntnissen des Partners entfällt dagegen die Notwendigkeit der Übersetzung, was wiederum die Verwendung der griechischen Sprache innerhalb der Familie vereinfacht.

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Sprachliche Zusammensetzung des sozialen Umfeldes

Ein konsequentes Spracherziehungsverhalten wird durch ein Umfeld erschwert, in dem ein Großteil der Personen nur die Umgebungssprache versteht und spricht. Viele fühlen sich ausgeschlossen oder empfinden es als unhöflich, wenn in ihrer Gegenwart eine Sprache gesprochen wird, die sie nicht verstehen (egal, ob das gesagte sie betrifft oder nicht). In derartigen Situationen wechseln viele Eltern (hier: 64%) auch im Gespräch mit ihrem Kind in die Sprache der Umgebung.

In Gegenwart von Personen, die selbst die Nichtumgebungssprache sprechen, ist ihre Verwendung dagegen ganz natürlich und selbstverständlich. Kontakte zu ihnen unterstützen ein konsequentes Spracherziehungsverhalten und eine generelle Zufriedenheit mit der mehrsprachigen Lebenssituation.
Mehrsprachigkeit im sozialen Kontext

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Kontakte zu Personen, die selbst Erfahrung mit Mehrsprachigkeit haben

Kontakte zu Personen, die selbst Erfahrungen mit Mehrsprachigkeit haben – sei es, weil sie selbst mehrsprachig sind, oder weil sie auch in einer gemischtsprachigen Ehe leben – wirken sich sowohl auf das konse­quente Spracherziehungsverhalten als auch auf die all­gemeine Zufrie­denheit mit der sprachlichen Situation positiv aus: In ihrer Gegenwart wird Sprachenvielfalt als Nor­malität erlebt, werden Spracherziehungsmodelle, Ratschläge und Infor­mationen geboten und generell das Gefühl vermittelt, dass schwierige Pha­sen des mehrsprachigen Ent­wicklungs- und Erziehungs­prozesses keine Aus­nahme dar­stellen.
Mehrsprachigkeit im sozialen Kontext

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Einstellungen des sozialen Umfeldes

Ein hoher Anteil an generell positiv eingestellten Personen unterstützt sowohl das konsequente Verhalten der Eltern als auch ihre Zufriedenheit.
Mehrsprachigkeit im sozialen Kontext
Einstellungen pädagogischer Fachkräfte

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Sprachprestige

98% der deutschen Mütter in Griechenland erlebten eine ausdrückliche Wertschätzung ihrer Muttersprache („Ah, Ihr Kind lernt deutsch! Das ist aber toll!“), griechische Mütter in Deutschland dagegen nur zu 68%. Sie erfuhren mit 43% eine ablehnende Haltung („Was soll das Kind denn mit Griechisch?“) – deutsche Mütter in Griechenland nur zu 18%. Auch die negativen Meinungen, im Land sei nur die Landessprache wichtig (GR: 33%, D: 52%) und Zweisprachigkeit sei eine Überforderung für das Kind (GR: 48%, D: 88%), wurden den griechischen Müttern in Deutschland gegenüber häufi­ger geäußert.

Ein hohes Sprachprestige beeinflusst das konsequente Spracherziehungsverhalten und die Zufriedenheit der Eltern mit dem gesamten Verlauf des mehrsprachigen Entwicklungs- und Erziehungsprozesses: In Griechenland verhalten sich 33% der Mütter konsequent und 63% sind sehr zufrieden. In Deutschland verhalten sich dagegen nur 20% konsequent und 48% sind sehr zufrieden.

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Verweigerung des Gebrauchs der Nichtumgebungssprache durch das Kind

Kinder verweigern häufig (hier: zu 76%) indirekt oder direkt den Gebrauch der Nichtumgebungssprache, also z.B. des Deutschen in Griechenland. Dieses Verhalten steht in einem wechselseitigen Zusammenhang mit dem Spracherziehungsverhalten: Spricht die deutsche Mutter ihr Kind auf Deutsch an, und dieses antwortet auf Griechisch, hat dies oft (hier: in 46% der Fälle) zur Folge, dass nun auch die Mutter in die griechische Sprache wechselt. Um­gekehrt for­dert die Inkon­sequenz der Mutter diejenige des Kindes heraus.

Eine deutsche Mutter in Thessaloniki:
"Sie hat angefangen, griechisch mit mir zu sprechen. Ich habe versucht, beim Deutschen zu bleiben, aber ich bin zunehmend auch zum Griechischen gekommen."

Mehrsprachige Entwicklung

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Förderung der Nichtumgebungssprache in Kindergarten und Schule

Die sprachliche Ausrichtung von Kindergarten und Schule hat einen indirekten und einen direkten Einfluss auf das Spracherziehungsverhalten der Eltern: Die Feststellung, dass im Kindergarten ausschließlich die Umgebungssprache gesprochen wird, ist bei vielen Kindern (hier: 84%) der ausschlaggebende Moment, den Gebrauch der Nichtumgebungssprache zu verweigern, was wiederum eine konsequente Verwendung der Nichtumgebungssprache erschwert: Der Prozentsatz konsequenter Mütter ist in einsprachigen Kindergärten mit 16% deutlich geringer als in zweisprachigen (53%): Hier erleben die Kinder Zwei- bzw. Mehrsprachigkeit als etwas Normales und Verweigerungen treten seltener auf (hier: in 58% der Fälle).

Hinzu kommt, dass in einer zweisprachigen Einrichtung beide Sprachen gleichberechtigt gefördert werden. Dadurch wird dasjenige Elternteil, welches die Nichtumgebungssprache in der Familie vertritt, entlastet: es liegt nicht mehr allein in seiner Verantwortung, ob und wie gut das Kind die Sprache erwirbt.

Zudem wird hier fachkompetente Beratung durch erfahrene Erzieher/innen geboten sowie Möglichkeiten der Kontaktaufnahme zu Eltern, die sich in einer ähnlichen spracherzieherischen Situation befinden.

All dies schlägt sich auch in der Zufriedenheit der betroffenen Eltern mit dem gesamten Prozess der mehrsprachigen Entwicklung und Erziehung nieder: der Prozentsatz sehr zufriedener Mütter ist im zweisprachigen Kindergarten (hier: 90%) wesentlich höher als im einsprachigen (hier: 43%).
Mehrsprachigkeit im Bildungssystem
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