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Information
"Machst Du mir
die τσάντα zu?" Sprachen in Kontakt
"Man kann nicht
immer konsequent sein." Mehrsprachige Erziehung |
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Empfehlungen für ElternDie folgenden Empfehlungen basieren auf Erfahrungsberichten von hundert Müttern in griechisch-deutschen Familien, deren Muttersprache jeweils eine andere als die des Landes ist, in dem sie leben, also von deutschen Müttern in Griechenland und griechischen Müttern in Deutschland. Sie richten sich daher auch in erster Linie an Eltern, die in einer mehrsprachigen Familie die Nichtumgebungssprache vertreten.
Die Berichte zeigen, dass die praktische Umsetzung des
Prinzips „eine Person – eine Sprache“ mit einer Reihe von
Schwierigkeiten verbunden ist, und das führt bei den betroffenen Müttern häufig
zu Unzufriedenheit und Schuldgefühlen: Man hätte es besser machen
sollen, so resümieren im Nachhinein viele. Die (kritische) Bewertung
der Sprachkenntnisse ihres Kindes als Ergebnis ihrer Spracherziehung
stellt dabei nur eine Ursache dar. Unzufriedenheit ist auch in
zahlreichen Situationen und Umständen begründet, in denen die
Mütter entgegen ihrer Überzeugung handelten, mit dem Kind ihre
eigene Muttersprache zu sprechen, und zwar ausschließlich. Genau hier liegt die erste
Schwierigkeit begründet: Das Prinzip "eine Person - eine Sprache" lässt
sich tatsächlich nicht konsequent umsetzen! Daher ein ganz wichtiger
Rat vorweg:
Mehrsprachigkeit ist etwas Lebendiges, Dynamisches. Die Sprachen Ihres
Kindes, aber eben auch Ihre eigenen! stehen miteinander in Kontakt, sie bilden zusammen Ihre spezifische Sprachkompetenz. Die
Konzentration auf nur eine der Sprachen entspricht nicht dem Wesen
dynamisch gelebter Mehrsprachigkeit. Wenn Sie sich das von Anfang an klar machen, haben Sie vielen der hier zitierten Mütter einiges voraus: Deren Berichte zeigen, dass die Ausnahmen, die sie machen, oft als negativ / ungewollt empfunden werden. Dies zum Einen, weil sie der starren Regel "eine Person - eine Sprache" widersprechen. Zum Anderen aber auch, weil sie oft unbewusst geschehen. Daher lautet ein weiterer zentraler Rat:
Bewusst getroffene Entscheidungen stellen eine reflektierte Basis des eigenen Verhaltens dar und tragen so dazu bei, Gefühle der Unzufriedenheit und der Schuld zu verringern.
Unterstützen Sie den Spracherwerb Ihres Kindes von Geburt an Gesunde Kinder erwerben Sprache quasi von selbst. Sie
brauchen dafür keine gezielte Förderung. Von entscheidender Bedeutung
ist jedoch ein Umfeld, in dem Sprache eine wichtige Rolle spielt.
Obwohl Kinder 1 – 2 Jahre alt sind, wenn sie ihre erste Wörter
sprechen, so beginnt ihre sprachliche Entwicklung schon viel früher:
Kinder hören ihre Muttersprache(n) bereits im Mutterleib. Sie verstehen
schon viel – lange, bevor sie selbst sprechen können. Sie kommunizieren
von Geburt an nonverbal – durch Laute, Gestik und Mimik.
Ausführlich zum kindlichen Spracherwerbsprozess und zu Sprachförderung siehe:
Entscheiden Sie, welche Sprache(n) Sie mit ihrem Kind sprechen können und möchtenWelche Sprache(n) empfinden Sie als Ihre Muttersprache? In welcher fühlen Sie sich am wohlsten? Wie gut sprechen Sie andere Sprachen? In welcher Sprache können Sie eine tiefe Bindung zu Ihrem Kind aufbauen, in welcher ihm die Welt erklären?
Formulieren Sie Ihre Erwartungen an die mehrsprachige Entwicklung Ihres KindesIst es Ihr Ziel, dass Ihr Kind zwei oder mehr Sprachen annähernd perfekt spricht, oder möchten Sie ihm lediglich Grundlagen in einer der Sprachen vermitteln? Ihre Erwartungen sollten auf realistischen Überlegungen basieren:
Schätzen Sie die Beeinflussbarkeit von Spracherwerbsprozessen realistisch einDer Spracherwerb des Kindes folgt bestimmten
Entwicklungsprozessen, durch die z.B. die Geschwindigkeit oder die
Abfolge von Erwerbsstufen festgelegt sind. Auch Sprachmischungen im
Kindesalter stellen eine normale Sprachentwicklungsphase des mehrsprachig aufwachsenden Kindes dar, die von äußeren Faktoren
weitgehend unabhängig auftreten. Diese Merkmale der Sprachentwicklung
können Sie also kaum beeinflussen.
Die Verweigerung des Gebrauchs der Nichtumgebungssprache durch das Kind steht dagegen in einem wechselseitigen Zusammenhang mit Ihrem Spracherziehungsverhalten: Sprechen Sie mit Ihrem Kind mal Ihre Muttersprache, mal die Umgebungssprache, wird Ihrem Kind die Bedeutung Ihrer Muttersprache nicht klar: „Du sprichst doch deutsch, warum soll ich dann griechisch sprechen?“ Dieses Verhalten kann umgekehrt bei Ihnen Inkonsequenz hervorrufen. Überlegen Sie sich daher, wie Sie mit Verweigerungen Ihres Kindes umgehen möchten und sprechen Sie mit Ihrem Kind darüber.
Reflektieren Sie Situationen, die zu Inkonsequenz führenHäufig sind es äußere Faktoren, die zu ungewollter Inkonsequenz führen. Es ist wichtig, diese immer wieder zu reflektierten: In welchen Situationen ist es wirklich notwendig, mit dem Kind die Umgebungssprache zu sprechen? Sind Sie selbst der Meinung, es sei unhöflich, Ihre Muttersprache in Gegenwart von Personen zu sprechen, die diese nicht verstehen, oder folgen Sie dem – tatsächlich ausgeübten oder subjektiv empfundenen – Druck Ihres Umfeldes? Sind evtl. in manchen Situationen pragmatische Gründe wie z.B. der Faktor Zeit wichtiger als die Einhaltung von Erziehungsprinzipien?
Überlegen Sie, wie wichtig Ihnen persönlich Konsequenz erscheintDies hängt mit Ihren Erwartungen zusammen: Ist es Ihnen sehr
wichtig, dass Ihr Kind Ihre Muttersprache gut erwirbt, ist es gut, wenn
Ihr Kind eine Notwendigkeit erkennt, diese Sprache zu erwerben. Diese
wird u.a. dann hergestellt, wenn Sie möglichst viel mit Ihrem Kind diese
Sprache sprechen.
Bitten Sie Ihren Ehepartner, Ihre Muttersprache zu lernenGute Sprachkenntnisse Ihres Partners in Ihrer Muttersprache erleichtern den Prozess der mehrsprachigen Erziehung. Versteht der Partner, was Sie mit Ihrem Kind sprechen, müssen Sie nicht alles übersetzen. Die Dominanz der Umgebungssprache innerhalb der Familie und damit Schwierigkeiten der Einhaltung der Konsequenz werden verringert. Sie können an sein Interesse und seine Einsicht appellieren, zumindest Grundkenntnisse der Sprache zu erlernen.
Stellen Sie Ihr soziales Netzwerk aktiv und bewusst zusammenDurch Kontakte zu Personen, die die Nichtumgebungssprache
sprechen, ergeben sich vielfältige sprachliche Vorbilder und
Anwendungsmöglichkeiten dieser Sprache für Ihr Kind. Sie haben auch
einen positiven Einfluss auf Ihr eigenes Spracherziehungsverhalten, da
in ihrer Gegenwart die Notwendigkeit des Übersetzens entfällt.
Klären Sie Ihr soziales Netzwerk über Mehrsprachigkeit aufPersonen, die bisher keine Erfahrung mit Mehrsprachigkeit haben, bekommen durch den Kontakt mit Ihnen und Ihrem Kind welche. Sprechen Sie mit ihnen über die Bedeutung, die Ihre Muttersprache und die Mehrsprachigkeit Ihres Kindes für Sie hat. Berichten Sie offen sowohl über schöne als auch über schwierige Seiten. Sie sind nicht passiv in Ihr soziales Netzwerk eingebettet, sondern können es entsprechend ihrer Bedürfnisse und ihrer Persönlichkeit aktiv gestalten – zumindest in dem Maße, in dem sich dieses als flexibel erweist (ein entsprechender Appell sei hier an die Personen der sozialen Netzwerke Mehrsprachiger gerichtet!).
Gehen Sie mit fachlichem Rat kritisch umNicht alle Menschen, bei denen Sie aufgrund der Ausbildung ein
Wissen über mehrsprachige Entwicklung und Erziehung vermuten, haben
dies auch tatsächlich. Gehen Sie selbstbewusst und kritisch mit
„fachkompetenten“ Ratschlägen um. Informieren Sie sich z.B. über
Ausbildung oder Erfahrung des Ansprechpartners mit Mehrsprachigkeit und
ziehen Sie zusätzliche Informationsquellen zu Rate. Denken Sie immer
daran, dass letztendlich Sie selbst die Expertin für die
Entwicklung und Erziehung ihres Kindes unter ihren individuellen
Rahmenbedingungen sind. Niemand kennt diese so gut wie sie selbst –
lassen Sie sich daher nicht durch pauschale Urteile („Sprechen Sie mit
Ihrem Kind doch besser Deutsch...“) verunsichern.
Fordern Sie zweisprachige EinrichtungenDie Dominanz der Umgebungssprache in einsprachigen Kindergärten und Schulen kann dazu führen, dass die Ihre Muttersprache für das Kind an Bedeutung verliert. In zweisprachigen Einrichtungen werden dagegen beide Sprachen des Kindes gleichberechtigt gefördert. Zudem ergeben sich hier Kontakte zu anderen mehrsprachigen Familien und es bieten sich Möglichkeiten fachkompetenter Beratung. Leider gibt es bisher nur wenige zweisprachige Kindergärten und Schulen, und Ihre Möglichkeiten, dies zu beeinflussen, sind begrenzt. Sie können es dennoch versuchen, z.B. durch das Engagement in einer Elterninitiative bzw. durch die Wahl des Wohnortes in der Nähe einer passenden Einrichtung.
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